Austausch
Neues Leben im Gasthof Schauhuber
Immer mehr Wirtshäuser in Österreich schließen, ob fehlende Nachfolge oder veränderte Ansprüche der Gäste – die Gründe sind vielfältig.
Im ehemaligen Gasthof Schauhuber entsteht neues Leben: Ein Austauschcafé, das von der Gemeinschaft getragen und von seinen Nutzern mitgestaltet wird. Hier geht es um mehr als den Tausch von Gegenständen – es ist ein Ort, an dem sich Kulturen und Generationen begegnen, voneinander lernen und ein neues Miteinander entsteht.
PROBLEMSTELLUNG
2050: 28,0%
im pensionsfähigen Alter
2024: 19,9%
im pensionsfähigen Alter
Anzahl der Personen über 65 Jahre in %
Anzahl der von Altersarmut betroffenen Personen (2022)
In vielen Dörfern Österreichs ist der Leerstand deutlich spürbar. Junge Menschen ziehen in die Städte, während die ältere Bevölkerung zurückbleibt – oft ohne familiären Anschluss oder Nachfolge. Dadurch verlieren Ortskerne ihre Lebendigkeit, Geschäfte schließen und das Gemeinschaftsgefühl geht verloren. Gemeinschaftliche Treffpunkte und soziale Strukturen, die das Dorfleben einst prägten, verschwinden zunehmend, wodurch Einsamkeit und Rückzug weiter zunehmen.
Gleichzeitig verändert sich die Gesellschaft insgesamt: Die Menschen werden älter, die Geburtenrate sinkt, und Themen wie finanzielle Sicherheit und soziale Teilhabe im Alter werden immer wichtiger. Besonders Frauen sind von Altersarmut betroffen, da Teilzeitarbeit und unbezahlte Pflegezeiten zu geringeren Pensionen führen. Viele Senior:innen kämpfen mit Isolation und fehlenden Möglichkeiten, aktiv am Leben im Ort teilzunehmen. Die Folgen sind nicht nur individuell spürbar, sondern wirken sich auch auf das soziale Gefüge ganzer Gemeinden aus.
Diese Entwicklungen zeigen, wie dringend neue Konzepte gebraucht werden, die Leerstand beleben, Gemeinschaft fördern und älteren Menschen Raum für Teilhabe, Austausch und Wertschätzung bieten.
STANDORT
Der ehemalige Gasthof Schauhuber, ein leerstehendes Wirtshaus im Herzen von Orth an der Donau, soll dazu wiederbelebt werden und ein neuer zentraler Treffpunkt entstehen.
Das traditionsreiche Wirtshaus hat eine lange und bewegte Geschichte, die eng mit dem Leben des Dorfes verbunden ist. Früher beherbergte es kaiserliche Jagdgesellschaften und entwickelte sich im Laufe der Zeit zu einem lebendigen Treffpunkt der Dorfgemeinschaft. Ob Feste, Veranstaltungen oder gesellige Zusammenkünfte – der Gasthof war ein zentraler Ort des Miteinanders.
Die Gestaltung des Austauschcafés verbindet Geschichte, Gemeinschaft und Nachhaltigkeit zu einem stimmigen Raumkonzept. Im Mittelpunkt steht ein raumhohes Regalsystem, das sich vom Boden bis zur Decke erstreckt. Es bietet Platz für Tauschobjekte und macht den Gedanken des Teilens und Weitergebens räumlich sichtbar. Gleichzeitig gliedert es den Raum und wird zum prägenden Gestaltungselement des Cafés.
GESTALTUNG
Die Farbgestaltung greift die Vergangenheit des Gebäudes auf und verleiht ihr eine neue Bedeutung. Das tiefe Waldgrün aus dem Logo des ehemaligen Gasthofs Schauhuber bildet die Basis und wird durch kontrastierende Rottöne ergänzt. Die grün getauchte Wandvertäfelung und gezielte rote Akzente schaffen eine Verbindung zwischen Alt und Neu und spiegeln den Wandel des Ortes wider.
Ein organisches Linienmuster zieht sich über die Wände und symbolisiert die Verbundenheit innerhalb der Gemeinschaft. Es steht für den Fluss von Geschichten, Traditionen und Gegenständen und verbindet visuell die Räume sowie die Menschen, die sie nutzen.
Die Einrichtung besteht aus verschiedenen Second-Hand-Möbeln, bei denen jedes Stück seine eigene Geschichte erzählt und zum Ausdruck des Austauschgedankens beiträgt. Durch die Vielfalt entsteht eine wohnliche, lebendige Atmosphäre – ein Raum, der zum Verweilen, Entdecken und Begegnen einlädt und sich für Besucher:innen wie ein erweitertes Wohnzimmer anfühlt.
KONZEPT & ORGANISATION
Das Austauschcafé ist ein sozialer Treffpunkt, an dem Kleidung, Bücher, Pflanzen und andere Dinge ein neues Leben finden. Das Prinzip des Teilens und Weitergebens fördert Nachhaltigkeit und stärkt den Zusammenhalt. Hier entsteht ein lebendiger Austausch zwischen den Generationen: Jung und Alt teilen Wissen, Fähigkeiten und Erfahrungen. Senior:innen können durch Tätigkeiten wie Nähen, Reparieren oder Backen aktiv bleiben, einen kleinen Zuverdienst erzielen und Teil der Gemeinschaft sein.
Betrieben wird das Café gemeinschaftlich von Menschen verschiedener Altersgruppen. Senior:innen übernehmen zentrale Aufgaben im Betrieb und werden von freiwilligen Helfer:innen unterstützt. Auch Besucher:innen können Ideen und Beiträge einbringen und so das Projekt mitgestalten. Organisatorisch ist das Austauschcafé zweigeteilt: Ein Verein organisiert soziale Programme und Veranstaltungen, während eine Genossenschaft den wirtschaftlichen Betrieb führt und in die Infrastruktur investiert. Entscheidungen werden gemeinsam getroffen – das Café lebt von der Gemeinschaft, die es trägt.
Dorfbausteine – das sind die kleinen, oft übersehenen Strukturen des Alltags: Bushaltestellen, Markt-Sitzbänke, Ab-Hof-Stände, Schilder, Fahrradständer und vieles mehr. Sie prägen das Leben im Dorf, den öffentlichen Raum und das Miteinander.
Trotz ihrer Bedeutung finden sie in Planung und Forschung kaum Beachtung. Deshalb haben wir – Studierende des Masters Innenarchitektur & Visuelle Gestaltung – uns diesen „Bausteinen des Dorfes“ gewidmet.
Anhand der Gemeinde Orth an der Donau entstanden neun exemplarische Entwürfe, inspiriert von den 7 Prinzipien des regenerativen Designs (EOOS next & IDRV). Sie zeigen, wie alltägliche Strukturen neu gedacht werden können, um Gemeinschaft zu stärken und das Dorf als Lebensraum zu erhalten.
AUSSTELLUNG ST.PÖLTEN
Im Zentrum dieses Beitrags zur Ausstellung stand der Gedanke des Austauschs – nicht nur von Gegenständen, sondern auch von Erfahrungen, Wissen und Geschichten. Ziel war es, das Austauschcafé räumlich erlebbar zu machen und Besucher:innen direkt in seine Atmosphäre einzubeziehen.
Dazu wurde ein Teil des Cafés nachgebaut und in die Ausstellung integriert. Die Tische und Stühle kombinierten Second-Hand-Möbel mit originalen Stücken aus dem ehemaligen Gasthof, wodurch Vergangenheit und neues Nutzungskonzept miteinander verschmolzen. Das raumhohe Regalsystem bildete das Herzstück und machte den Austausch erlebbar: Die ausgestellten Gegenstände konnten direkt getauscht oder mitgenommen werden. Auf den Tischen lud ein „Austauschmenü“ dazu ein, Gedanken, Erinnerungen und Ideen miteinander zu teilen, wodurch Begegnung und Dialog spürbar wurden.
In Zusammenarbeit mit EOOS und dem Institute for Design Research Vienna (IDRV), die die Wanderausstellung „Imagine Coral Reef“ ins Leben gerufen haben, wurde unsere Ausstellung aus St. Pölten nach Belgrad adaptiert. Dort wurde sie im Muzej primenjene umetnosti präsentiert.
Die Ausstellung wurde an die örtlichen Gegebenheiten angepasst, um das Raumgefühl des zentralen Elements, des raumhohen Regals, auch in Belgrad erlebbar zu machen. Dafür wurden einzelne Regalelemente eingesetzt, die den Austauschgedanken und die Atmosphäre des Cafés kompakt und wirkungsvoll transportierten.